Up’s and Down’s

Nach unserem ersten Trek über insgesamt 11 Tage haben wir uns 3 Tage Entspannung in der Hauptstadt gegönnt. Die freien Tage waren jedoch auch schon gleich wieder mit der Organisation der nächsten Reise ausgefüllt.

Mit nur dem Nötigsten ausgerüstet fuhren wir wieder die 60km in den Osten, vorbei an der Chingis Khan Statue auf dem mittlerweile vertrauten Weg zu Saraa’s Camp. Statt wie beim letzten Mal erst raus zu fahren und dann zurück zu reiten, war jetzt eine Rundreise über 9 Tage mit Saraa’s Camp als Ausgang und Ziel geplant.
Begleitet wurden wir von Saichnaa, Saraas 14 jährigem Sohn und Ogi, einem 23 jährigen “Nachbar” der Familie. Zusätzlich kamen die Hofhunde Well-Mart und Boika mit uns mit und beschützten uns gegen Wölfe und Bären aber hauptsächlich gegen nächtliche Pferdediebe und andere Hirtenhunde. Die beiden Jungs haben sich die ganze Reise um die Pferde gekümmert und als Guides die Route vorgegeben.

Die Strecke führte über bewaldete Berge, Blumenwiesen und sumpfige Täler durch den Terelj Nationalpark. Gekocht wurde über dem Feuer und es gab hauptsächlich Schafsuppe oder Reis mit Schaffleisch und Gemüse. Ab und zu haben wir die Gelegenheit ergriffen und unsere mitgebrachten Spaghetti mit Thunfisch gekocht. Kulinarisch gesehen gab es also wenig Abwechslung, doch wir haben uns irgendwie durchgeschlagen.

Ogi, der ältere der beiden Guides, hat eine sehr spezielle Art, welche uns oft viele Nerven gekostet hat. Er sprach nur mongolisch und hat uns wie hilflose Touristen behandelt. Wenn wir zum Beispiel die Satteltaschen des Packpferds gepackt haben, hat er alles wieder ausgeräumt, nur um die Taschen danach exakt auf die gleiche Weise wieder neu zu packen. Man sagt, salopp ausgedrückt, dass unter 7 Menschen ein Arschloch sei. Glücklicherweise war unser erster Trip der Gobi Gallop eine Ausnahme, aber nun hat es uns anscheinend doch getroffen. Nicht nur die Strecke war also ein hoch und runter, sondern zwischenzeitlich auch unsere Stimmungslage.

Aber genug des Negativen, wir hatten natürlich auch aussergewöhnlich schöne Momente, welche die negativen um ein Vielfaches überblendeten. Es sind diese kleinen, im ersten Augenblick unbedeutend erscheinenden Situationen, welche diese Reise so besonders machten. Wie zum Beispiel, als wir nach Tagen der Einsamkeit auf ein holländisches Paar getroffen sind, welches den Nationalpark auf dem Fahrrad erkundet hat. Wir haben uns oft gefragt, wie es möglich ist, durch die sumpfigen überfluteten Strassen zu fahren. Nicht selten haben wir Fahrradspuren im Matsch gesehen. Doch dieses Paar hat bewiesen, dass es mit einigen Mühen und Strapazen doch möglich ist.

Wir sind durchschnittlich etwa 4-5 Stunden täglich geritten und haben uns über Gott und die Welt unterhalten, gesungen, dem wunderschönen Gesang von Ogi gelauscht oder einfach nur die Stille, die Einsamkeit und die Landschaft genossen. Auch wenn sich der WOW-Effekt mit der Zeit ziemlich abgeschwächt hat, sind es die weissen Zuckerwattewolken vor dem klaren blauen Himmel über den satten grünen Hügel, an die ich mich mein Leben lang erinnern werde.

Wir haben so viel erlebt und doch ist es nichts Besonderes, wenn man es nicht selbst gemacht hat. Wir haben Kuhmist verbrannt um die nervigen Bremsen von uns abzuhalten. Beim Versuch das Zelt mit oben genannter Methode von den tausenden Fliegen und Mücken zu befreien, habe ich ein riesen Loch in den Zeltboden gebrannt. Wir sind über endlose blumenübersäte Wiesen galoppiert, durch schier undurchdringbare Büsche geritten und haben Flüsse durchquert, bei welchen das Wasser bis zum Sattel hoch reichte. Wir haben nachts gefroren, tagsüber geschwitzt und meine Schuhe waren konstant nass. Wir wurden beim persönlichen Geschäft von den fiesen Mücken in den Allerwertesten gestochen, haben den täglichen Niederschlag verflucht und trotzdem das Prasseln des Regens auf dem Zeltdach genossen. Wir haben uns über Ogi aufgeregt und gleichzeitig mit Saichnaa gewitzelt, welcher gemäss Katharina eines Tages ‘en riese Schuss’ werden wird.

Am drittletzten Tag wurden wir zu einem Freund von Saichnaas Familie geführt und haben dort zwei Tage verbracht. Es war eine ziemlich eigenartige Zeit, da die Familie eher “mudrig” (Anm. Berndeutsch) war und uns ausser während den gemeinsamen Essen keinerlei Beachtung schenkte. Zudem wurden wir oft zurechtgewiesen, wie man sich zu verhalten habe und nach einem Gespräch mit Saichnaa sind wir danach weitergezogen.

Ein Höhepunkt war definitiv das Mini-Naadam Fest, welchem wir beiwohnen konnten. Naadam ist das Nationalfest der Mongolen und findet vom 11. bis zum 13. Juli jeden Jahres statt. An diesem nationalen Sportevent messen sich die Leute in drei Disziplinen: Pferderennen, Wrestling und Bogenschiessen.
Wir haben die Jungs auf ein kleines Naadam Fest mit Pferderennen und Wrestling auf dem Land begleitet. Normalerweise werden die Pferde beim Rennen von Kindern im Alter von zwischen 4 und 13 Jahren geritten und bei diesem Fest gab es zwei Rennen. Das erste war mit Pferden im Alter von 5 Jahren und das zweite mit zweijährigen Fohlen. Es war ein ursprünglicher Anlass, wir zwei waren die einzigen Touristen und wurden von allen Seiten mit freundlichen Blicken begrüsst.
Als das Rennen über ca. 5km an uns vorbei zog, sind wir auf unsere Pferde gestiegen und in das Chaos aus Rennteilnehmern, Begleitfahrzeugen, Motorräder, Stallburschen und Pferdebesitzern eingetaucht und haben die Kinder ins Ziel begleitet. Die Szene hat die mongolische Kultur perfekt widerspiegelt, von Aussen war es ein Durcheinander sondergleichen, aber war man einmal mittendrin, haben sich gewisse Regeln und Strukturen abgezeichnet. Es war purer Wahnsinn!!
Zwischen den zwei Rennen fand das Wrestling statt. Meistens haben sich drei Paare der muskulösen Männer in den knappen Höschen und den brustfreien Oberteilen gleichzeitig einen Kampf geliefert. Der Ring bestand nur aus den sitzenden Zuschauern und unseren ‘Logeplätzen’ auf dem Rücken der Pferde.
Am Ende des Tages ritten wir wieder zurück zu unserer vermeintlichen Unterkunft, einem brachliegenden Winterstall. Doch nachdem wir die Pferde abgeladen und unser Zelt aufgestellt haben, stand plötzlich der Besitzer der Anlage vor uns und hat uns weggewiesen. Wir sind zweihundert Meter weiter geritten und haben dort unser Nachtlager auf einer Wiese aufgeschlagen und den Tag mit dem allnächtlichen Feuer ausklingen lassen.

Am letzten Tag, geplant waren nur 15km, wurden wir noch vor einige Probleme gestellt. Beim Satteln der Pferde ist der Gurt des Packsattels gerissen, doch wir konnten es wieder hinbiegen. Hinter einer Hügelkette sind Katharina, Ogi und ich über weite Strecken galoppiert und haben danach auf Saichnaa und das Packpferd gewartet. Nach langer Zeit kam uns Saichnaa ohne Sattel auf dem Packpferd entgegen; es hat sich rausgestellt, dass sein Pferd lieber schon einmal ohne seinen Reiter nach Hause wollte. Den gebrochenen Sattelgurt konnten wir nach einiger Zeit mit Schweizer Klettertechnologie retten und Saichnaa ist hinter mir auf dem Rücken meines Pferdes die zwei Stunden zurück geritten. Unterwegs holte uns noch ein Hagelsturm ein und somit können wir behaupten, jedes Wetter bis auf Schneefall erlebt zu haben.

Zurück bei Saraa gab es das freudige Wiedersehen zwischen den Eltern und ihrem Sohn und für uns ein verdientes Bad im eiskalten Tuul-River nach 9 Tagen ohne Waschen.

Alles in Allem hatten wir zu Beginn eine komplett andere Vorstellung von dem, was uns erwarten würde. Doch unserem Sprichwort gemäss “Go with the flow” konnten wir uns schlussendlich immer irgendwie arrangieren und haben die Zeit genossen. Der zweite Trip war definitiv ein komplett anderes Erlebnis als der Gobi Gallop, nicht nur der Landschaft wegen. Doch allen Schwierigkeiten und Downs zum Trotz haben wir die Zeit sehr genossen und dürfen wohl mit Stolz behaupten in drei Wochen täglichen Reitens mehr als 1000km zurückgelegt zu haben.

Wir hatten nun zwei Tage in Ulaan Baatar und fliegen morgen nach Dalanzadgad im Süden um die Gobi Region zu erkunden. Dieses Mal jedoch ohne Pferde 🙂 Fotos gibts hier:

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